Münchner Missionstag 2021 / Arbeitsgruppe 2

Vorbemerkung

Die Arbeitsgruppe 2 wurde doppelt angeboten, einmal unter Leitung von Pfr. Kurth und einmal unter Leitung von M. Binder.Die Ergebnisse beider Gruppen sind hier zusammen dargestellt.

Wie definieren wir folgende Begriffe?

Entwicklung:

  • Veränderung zum Besseren (manchmal auch zum Schlechteren)
    vom augenblicklichen zu einem erstrebenswerteren Zustand,
  • z.B. hinsichtlich Lebenserwartung, Gesundheit, Einkommen, Bildung.
  • Entwicklung ist etwas Dynamisches.
  • Ist Deutschland Entwicklungsland z.B. hinsichtlich des CO2-Ausstoßes?
  • Eigentlich ist „Entwicklung“ neutral.

Armut:

  • Ein Mangelzustand, es fehlt am Notwendigen (z.B. medizinischer Versorgung);
  • mangelnde Teilhabe (wirtschaftlich/finanziell und sozial) ist auch Armut.
  • Es braucht eine Bezugsgröße (z.B. das Einkommen, Geld) und eine Maßeinheit.
  • Die UN legt fest, was Armut ist.
  • Armut ist eine relative Größe.

Kultur:

  • ein sehr weitläufiger Begriff.
  • Alles was der Mensch hervorbringt / was entsteht wenn Menschen zusammen leben,
  • z.B. auch die Art der Begrüßung.
  • Kultur ist geschaffen – im Gegensatz zur Natur.
  • Entsteht über Jahrhunderte / Generationen.
  • Jedes Land hat seine eigene Kultur;
  • beim Thema Homosexualität sind wir z.B. völlig gegensätzlich gepolt.
  • Alle haben eine Kultur, auch wenn sie uns vielleicht nicht gefällt.
  • Die Definition von Kultur kann ein Herrschaftsinstrument sein..

Gute Regierungsführung:

  • Wem nützt es? / Ist das Ziel erstrebenswert?
  • Beispiele für gute Regierungsführung:
    - Freie Wahlen / Demokratie,
    - Betonung des Allgemeinwohl (auch der künftigen Generationen),
    - guter Umgang mit Minderheiten,
    - Meinungsfreiheit (wenn man seine Meinung angstfrei äußern kann),
    - soziales Gleichgewicht,
    - Grad an Korruption.
  • Es ist eine subjektive Frage; was die einen für gut halten, halten andere für schlecht.
  • Man kann erst hinterher entscheiden, ob die Regierung gut oder schlecht ist.

Gibt es dazu in Ihrer Partnerschaft (Tansanier & Deutsche) einen Konsens?

  • Haben mit den Partnern noch nicht darüber geredet.
  • Meinungen über „gute Regierung“ ist nicht gleich.
  • Bei Armut gibt es gefühlt einen Konsens (keine Schuhe oder kein Mittagessen).
  • Beim Thema Homosexualität gibt es augenscheinlich keinen Konsens mit den Partnern (Kultur).
  • Freizeitkultur: In Deutschland wichtig, für tansanische Partner eher unverständlich.
  • Kulturverständnis ist unterschiedlich.

Wahrscheinlich gibt es keine Beziehung auf Augenhöhe.

Exemplarisch an ausgewählten Begriffen wurde diskutiert:
- Leben wir (Deutsche und Tansanier) in der Partnerschaft auf Augenhöhe?
- Oder liegt die Deutungshoheit über wichtige Begriffe und Ziele mehr auf einer Seite?
- Wie würden Sie ein mögliches Machtgefälle im Umgang miteinander bei den folgenden Bereichen beschreiben?

Entwicklung:

  • Auf menschlicher Ebene haben wir Freundschaften und ich fühle mich auf Augenhöhe zu den Menschen; bzgl. der Projekte sind wir nicht auf Augenhöhe.
  • Wer Geld hat, hat mehr Macht.
  • Bzgl. der Entscheidungen ist es von der Qualität der Beziehung abhängig, und vom Wohlwollen derer, die das Geld haben (also von uns).
  • Jugendliche in Deutschland wollen mehr Work-Life-Balance, Jugendliche in Tansania gute Arbeit für wirtschaftliches Vorankommen; das liegt wohl auch an der unterschiedlichen finanziellen Ausgangslage.

Armut:

  • Wir Deutsche definieren Armut stark aus unserer Sicht und erklären Tansanier für arm. Das sehen diese aber keinesfalls so.
  • Kultur:
  • Wir Deutsche sehen unsere Wert- und Moralvorstellung vielfach als universell gegeben an und erwarten die Übernahme unserer Werte von den Partnern, z.B. was die Gleichstellung von Homosexuellen betrifft. Hier sehen wir aber auch ein zunehmendes Selbstbewusstsein in Tansania.

Effektiver Umgang mit COVID-19:

  • Es hat mich erstaunt, dass die Tansanier ganz schnell die Aha-Regeln eingehalten haben. Rückfrage dazu: Weshalb erstaunt? Antwort. Hätte es ihnen, ehrlich gesagt, nicht zugetraut.
  • Bei uns sind die Behandlungsmöglichkeiten besser.
  • Wir beobachten: Die Tansanier sind angesichts der Lage um uns besorgt.
  • Tansanier finden es schrecklich, dass wegen Corona nur so wenige Leute bei uns in die Kirche kommen können.
  • Deutsche sind von ihren Maßnahmen überzeugt. Zugleich muss man sehen, dass (auch innerhalb der westlichen Welt) das Vorgehen doch sehr unterschiedlich ist.

Welches Bild vermitteln wir, wenn wir von unseren Partnern berichten? Entspricht es der Realität?

Je nach Gemeinde kann das Bild ganz unterschiedlich sein:
- teilweise ist die (vermeintliche) Armut der Partner im Vordergrund,
- teilweise wird stark das Gemeinschaftsgefühl gefördert.

Dabei ist das Bild, das wir vermitteln, stark von unseren eigenen Erfahrungen geprägt.
Reise und Begegnungen helfen sehr für ein realitätsnahes Bild.

Spenden spielen natürlich eine Rolle.
Dabei wird mit den Partnern abgestimmt, wofür wir sammeln und welche Nöte und Mängel der Partner wir damit darstellen.

Werden in Ihrer Partnerschaft Unterschiede zwischen „Uns“ und „den Anderen“ gemacht?

Wir machen keine Unterschiede, es sind unsere Freund, die einen in Deutschland, die anderen in Tansania
Wenn es um Bedürftigkeiten geht, dann wird unterschieden

Wie wirken wir politisch?

Grundsätzlich ist Partnerschaft mit und Hilfe für andere Länder in Deutschland ein allgemein anerkannt gutes Tun.

Durch unsere Mitarbeit in der Partnerschaft bringen wir dazu Impulse und prägen das Bild z.B. in der Kirchengemeinde.

Jedes Handeln ist in gewisser Weise politisch. In Krisensituationen neigen wir zu Vereinfachungen bzw. Problemreduktion. Gerne greifen wir dann auf Stereotype (z.B. die Tansanier) zurück, obwohl wir es eigentlich besser wissen. Je gründlicher wir für uns reflektiert und definiert haben, was wir unter Entwicklung, Armut usw. verstehen, desto besser gelingt es uns hoffentlich, auch in Krisensituationen auf differenzierte Vorstellungen zurückzugreifen und eben nicht in platte Stereotype zu verfallen. Das Gleiche gilt entsprechend für die Bilder, die wir von unseren Partnern vermitteln. Durch reflektierte und differenzierte Äußerungen über unsere tansanischen Partner können wir darauf vertrauen, dass wir auch zu einer differenzierteren Sicht über Menschen aus Afrika beitragen. Kommunikation nimmt immer Einfluss auf das Gegenüber und erzeugt eine Wechselwirkung.

Auf politischer Ebene fehlt uns vielfach die gewünschte Durchschlagkraft.

Was meinen Sie, welche Erfahrungen aus der Partnerschaft können in solch unsicheren Situationen wie der Corona-Krise helfen?

Ereignisse wie die COVID-19 Pandemie erzeugen Unsicherheit: Das Leben funktioniert nicht mehr wie gewohnt, die Zukunft ist nur noch schwer planbar, niemand weiß genau, was richtig oder falsch ist. Alles ist plötzlich kompliziert. Das setzt die Menschen unter Stress und sie neigen dazu, nach klarer Führung und einfachen Lösungen zu suchen.

Aus der Partnerschaft können wir wertvolle Impulse einbringen:

  • Hakuna Matata!
  • Wir wissen: Es gibt verschiedene Wege, die alle richtig sind
  • Erfahrungen aus Besuchen helfen. Wir haben es bei den Reisen erlebt, uns auf ungewohnte Situationen einzulassen
  • Glaube, Gottvertrauen, Gebet. Das hilft unseren Partnern, und wenn wir bei ihnen sind erleben wir, dass es uns auch hilft
  • Die Tansanier sind zufriedener als wir und haben mehr Lebensfreude.
    Das wurde im Gespräch allerdings kontrovers gesehen. Wir Deutsche sind auch zufrieden, und es gibt auch unzufriedene Tansanier.

Persönliche Zusammenfassung:

Das Definieren der Begriffe war interessant, aber auf die Schnelle nicht einfach. Das macht ja auch nichts. Es wurden deutlich, dass es gut ist, sich darüber Gedanken zu machen – am besten gemeinsam mit den Partnern.

Beim Gespräch über die Augenhöhe wurde deutlich, dass es die Augenhöhe nur da gibt, wo wir sie für gegeben halten - man könnte auch sagen, wo wir sie konstruieren. Damit ist sie noch lange nicht faktisch da. Und: Geht das, bei Freundschaft Augenhöhe und bei Projekten nicht? Interessant ist das Erstaunen darüber, dass die Tansanier das mit den AHA-Regeln so gut hinbekommen. Auch das zeigt ja ein Gefälle im Denken.

Und: Bei Freundschaften fühlen wir das inklusive wir, geht es um „Bedürftigkeiten“, wechseln wir wieder zum exklusiven Wir.

Einhellig waren wir der Meinung, dass die Erfahrungen aus der Partnerschaft uns in Krisensituationen tatsächlich helfen.